Wasserfestschrift 2017
50 | WASSER IST QUALITÄT VON DER WAKENITZ ZUM TIEFENGRUNDWASSER 1972 war ein politisch ereignisreiches Jahr: Die Watergate- Affäre erschütterte Washington. Gleichzeitig gab es erste sichtbare Erfolge bei der atomaren Abrüstung und die USA und die Sowjetunion unterzeichneten das erste SALT- Abkommen zur Reduzierung strategischer Langstrecken- raketen. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurden der Grundlagenvertrag und das Transit- abkommen geschlossen, die beiden wichtigsten Säulen von Willy Brandts Neuer Ostpolitik. Und in Lübeck? Da vollzog sich in diesem Jahr bei den Stadtwerken ein echter Paradig- menwechsel in der Wasserversorgung und der auch aus heutiger Sicht wohl wichtigste Meilenstein in der jüngeren Geschichte der Lübecker Trinkwasserversorgung wurde erreicht – die Umstellung von der Wassergewinnung aus der Wakenitz auf eine Grundwasserversorgung. Ein Blick zurück. Bis 1972 erfolgte die Trinkwasserversorgung für Lübeck aus der Wakenitz auf dem Gelände des 1867 in Betrieb gegangenen Wasserwerks Wakenitz. Aufgrund der immer höher werdenden Ansprüche an die Trinkwasserqualität wurden hierbei immer aufwändigere Prozesse notwendig, um diese zu erreichen. In einem ersten Schritt entfernten mechanische Vorfilter und Rechen dafür grobe Verschmutzungen, so auch Blattwerk, Zweige und andere Einträge, die in der Wakenitz vorhanden waren. Danach wurde das Wasser erstmalig desinfiziert, um anschließend über unterschiedliche Filter und Aufbereitungsstufen unter Zusatz und späterem Entzug verschiedener Chemikalien weiter aufbereitet zu werden. Ziel war dabei nicht nur die Ausfällung von Rückständen und unerwünschten Stoffen, um aus dem Flusswasser Trinkwasser zu machen, sondern ganz wesent- lich auch die pH-Wert-Regulierung. In der letzten Ausbaustufe des Wasserwerks wurde schließlich in der damaligen Kohlefilterhalle die seinerzeit effizienteste und wirkungsvollste Filterung eingesetzt, um Trinkwasser in hervorragender Qualität an unsere Kunden liefern zu können. Ingenieurs- und verfahrenstech- nisch war dies hohe Kunst und ein komplexer, anspruchs- voller Prozess, der tagtäglich mit Bravour gemeistert wurde. Ein Problem aber blieb: Eine wirklich gleich- bleibende Qualität war bei dem vielen Einflüssen unter- worfenen Ausgangsprodukt „Wakenitzwasser“ nur schwer zu erreichen. Statt mit immer neuen Verfahren und immer mehr Technik diesen Weg weiterzugehen, erfolgte ein Kurs- wechsel: zurück zur Natur – sozusagen. Von nun an lautete die Aufgabe für die Fachleute bei der Wasserversorgung der Stadtwerke Lübeck: Suche und Förderung eines Produkts, das all diesen Schwankungen und Umwelteinflüssen nicht unterworfen ist und das praktisch naturbelassen an die Kunden geliefert werden kann. Die Antwort hierauf war im Prinzip einfach: Grundwassergewinnung aus Fassungen in großer Tiefe. Eine erste Heimstätte für diese Lösung wurde das Wasser- werk Kleinensee, das mit zunächst neun Brunnen die Umstellung auf die neue Trinkwasserversorgung sicherte. Dies vereinfachte die Wassergewinnung radikal. Frei von chemischen Zusätzen – allein eine Ausfällung von Eisen und Mangan erfolgt noch unter Zusatz von Sauerstoff – erhalten die Lübeckerinnen und Lübecker von da an ein echt naturbelassenes Trinkwasser in gleich- bleibender, höchster Qualität. Komplex ist seither nicht mehr seine Aufbereitung, sondern das Auffinden. 25. August 1972 Wasserwerk Kleinensee: Inbetrieb- nahme des Grundwasserwerks mit gleichzeitiger Stilllegung der Oberflächenwasserversorgung Sein Bau kostet insgesamt 12,1 Mio. Deutsche Mark (Wasser- werk und Pumpen 6,6 Mio., die 10,3 km lange Transportleitung 5,5 Mio. Deutsche Mark) und es hat
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