Wasserfestschrift 2017

44 | WASSER IST LEBEN Den Herren von Presse und Rundfunk hatte Herr Roggenkamp die wichtigsten Informationen über die zukünftige Wasser- versorgung unserer Stadt gegeben. Zum Schluss lud er alle Zuhörer zu einer Kostprobe des guten Wassers ein. Diese Kost- probe war natürlich vorbereitet. Im bereits gebohrten Brun- nen 11 hing eine weiße Glasflasche voll des edlen Korns. Ich hatte sie selbst dort hineingehängt. Das Etikett war sorgfältig abgelöst worden. Damit keiner auch nur ahnen konnte, dass Schnaps ein- geschenkt wurde, sollte Herr Brelle sich über den Brunnen beugen und beim Auftauchen der Flasche aus dem dunklen Mantelrohr sofort den Verschluss entfernen. Manchmal hat man Mühe mit diesen Schraubverschlüssen, man kann sie zwar drehen, aber nicht abdrehen. Das durfte also auf gar keinen Fall passieren. Und so wurde die Sicherung abgetrennt. Wir waren zeitig draußen, damit uns niemand bei diesem Manöver beobachtete. Und da es zudem nicht kalt war, der Schnaps aber gekühlt am besten schmeckt, schlug ich vor, die Flasche bis in das Grundwasser abzusenken. Das Band, mit dem die wertvolle Flasche fachmännisch (kein Weiberknoten) gesichert war, musste länger als 23 Meter sein. Alles klappte bestens. Zur Sicherheit ließ ich die Flasche noch 2 Meter tiefer abtauchen, damit sie auch wirklich gut gekühlt wurde. Das Tablett mit den Gläsern hatten wir sorgfältig hinter dem Knick versteckt. Endlich ist es so weit. Da nicht zu viele gekommen sind, wird für mich auch noch einer abfallen. Herr Brelle hat die Flasche früh genug erwischt. Ich bin sicher, niemand hat den Verschluss gesehen. Es wird eingeschenkt und angeboten. Die Ersten beriechen ihr Gläschen. Man bespricht sich. Seltsamerweise kommt noch keinem der Gedanke an DIE WASSERPROBE Autor Günter Friege – seinerzeit als Diplom-Ingenieur bei den Gas- und Wasserwerken Lübeck beschäftigt und maßgeblich verantwortlich für die Umstellung der Wasserversorgung von Oberflächen- auf Grundwasser – veröffentlichte seine unvergessene Wasserprobe in der Mitarbeiterzeitung „Wir über uns“, Ausgabe 4 / 1970. Am 13. Oktober 1970 hängt an einem der Montage- kräne die Richtkrone über dem Rohbau des Wasserwerks Kleinensee. Nach alter Tradition trägt der Polier vom Dach des neuen Gebäudes seinen Richtspruch vor. In feierlichen Worten erwähnt er dabei die Aufgabe, die dieses Werk für die Stadt Lübeck einmal übernehmen wird. Zu seinen Füßen steht der Kreis der am Bau beteiligten Konstrukteure, Handwerker und einige Gäste. Der Polier hält seinen Schnaps in der Hand und sagt: „Das dritte Gläschen aber sei geweiht der edlen Zimmerei! Ich leer es gern zu dieser Frist, zumal, da es kein Wasser ist!“ Damit hat er seinen Spruch beendet. Es wird geklatscht … zumal, da es kein Wasser ist … zumal, da es kein Wasser ist. Wie hat er das gemeint? Soll das eine Anspielung auf unser Pech bei der Grundsteinlegung sein? Ich brauche gar nicht weiter zu kombinieren, denn neben mir wird bereits verständnisvoll getuschelt und gelacht. „Sagen Sie mal“, spricht mich ein Herr an, „haben Sie heute etwa kein Wasser in die Flasche getan?“ Wieder Gelächter. Nein, ich habe weder heute noch damals Wasser in die Flasche gefüllt. Ich schwöre es bei allen Brunnengeistern. Aber bei der Grundsteinlegung am 1. Juni 1969 war wirklich Wasser drin. Und das kam so: 1. Juni 1969 Grundwasserwerk Kleinensee: erster Spatenstich und Grundsteinlegung 13. Oktober 1970 Wasserwerk Kleinensee: Richtfest

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