Wasserfestschrift 2017
24 | GRUNDWASSER Trinkwasser wird aus vielfältigen Vorkommen gewonnen: als Oberflächenwasser aus Flüssen, Seen, Talsperren und – bei entsprechender Entsalzung – auch aus den Meeren. Oder eben aus Grundwasser, also aus Wasservorkommen unter der Erdoberfläche. Diese können auf verschiedene Art und Weise entstehen. So kann es sich beispielsweise um Sickerwasser oder sogenanntes fossiles Wasser handeln, das mehrere 10.000 Jahre alt ist und ursprünglich aus eiszeitlichen Formationen stammt bezie- hungsweise daraus gebildet wurde. Dieses fossile Wasser gilt als besonders rein, da es unseren heutigen Umweltfaktoren nicht ausgesetzt gewesen ist. Das für Lübeck täglich geförderte Wasser ist bis zu 8.000 Jahre alt. Was dabei auf den ersten Blick vielleicht als recht abenteuer- liche Vermutung über das Alter dieses Wassers scheinen mag, hat indes eine solide wissenschaftliche Basis. Denn seine Zusammensetzung, wie etwa der Anteil des Gases, lässt Rückschlüsse auf die Entstehungszeit des Wassers zu. Und so kann es mit der Radiokarbonmethode oder anderen Isotopen- untersuchungen recht präzise datiert werden. Aus seiner Entstehungsgeschichte und seiner Herkunft heraus ergibt es sich, dass Grundwasser nicht gleich Grundwasser ist. So wird unterschieden zwischen dem oberflächennahen Grundwasser – in der Fachsprache der 1. Grundwasserleiter genannt –, das sich typischerweise kurz unterhalb der Erdoberfläche bis zu Tiefen von 10 Metern befindet, und dem Tiefengrundwasser aus den deutlich tiefer liegenden Schichten – dem 2. Grundwasserleiter. Beim oberflächennahen Grundwasser hat vor allem die landwirtschaftliche Produktion in vielen Bereichen zu Beeinträchtigungen geführt. Nach den Ergebnissen einer landesweiten Bestandsanalyse des Grundwasserzustands durch die Landesregierung ist die Hälfte der schleswig-holstei- nischen oberflächennahen Grundwasservorkommen als gefährdet einzustufen. Hauptursache dafür ist seine Belastung mit Nitraten aus der Düngung. In einigen Bereichen stellen Rückstände von Pflanzenschutzmitteln ein zusätzliches Prob- lem dar. Lübeck ist von dieser Problematik jedoch nicht betroffen, weil sich das Grundwasser der Hansestadt in sehr tiefen Schichten befindet und wir es ausnahmslos hieraus fördern. Unter dem Lübecker Einzugsgebiet befinden sich auf einer Fläche von 250 Quadratkilometern und in Tiefen von 40 bis über 100 Meter Sandschichten, die bis zu 20 Millionen Jahre alt sind. In diesen Porenschichten hat sich Wasser aus den letzten Eiszeiten gesammelt – durch meterdicke, praktisch wasserundurchlässige Schichten wie mit einem Deckel abge- schirmt. Aus diesem Grundwasservorkommen, dem besonders geschützten 2. Grundwasserleiter, fördern die Stadtwerke Lübeck das Trinkwasser. Der unterirdische Wasserleiter, die Hemmelsdorfer Mulde, wird auf eine Größe von 1,7 Milliarden Kubikmeter geschätzt und erstreckt sich von Travemünde bis Bad Schwartau. Die wasserhaltigen Schichten sind dabei keineswegs homogen, sondern angeordnet wie eine auf dem Tisch zusammen- geschobene Serviette – mit Gipfeln und Tälern. Und es geht mitnichten ruhig zu im Untergrund. So gibt es aufgrund der geologischen Gegebenheiten eine unterirdische Strömung, die von Nordwesten nach Südosten verläuft. Das Lübecker Grundwasser ist damit von seinem Ursprung her aus einer hervorragenden, natürlichen „Quelle“. Es schmeckt angenehm frisch und manchmal sogar fast süßlich, ALLES IM FLUSS 1906 Die Hansestadt Lübeck übernimmt die Travemünder Wasserversorgung.
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